Eva Luise Köhler Forschungspreis 2024

Von der Grundlagenforschung zur klinischen Anwendung: Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen würdigt Therapieperspektive für das mitochondriale Leigh-Syndrom

Berlin, 20. April 2024 –  Eva Luise Köhler verleiht am Freitag, 3. Mai 2024 um 18.00 Uhr im Beisein von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) zum 16. Mal den nach ihr benannten und mit 50.000 Euro dotierten Forschungspreis für Seltene Erkrankungen.

Ausgezeichnet werden Prof. Dr. Alessandro Prigione vom Universitätsklinikum Düsseldorf und Prof. Dr. Markus Schülke von der Charité – Universitätsmedizin Berlin für ihre wegweisenden Arbeiten zum mütterlich vererbten Morbus Leigh (MILS). Die fortschreitende seltene Erbkrankheit beeinträchtigt den Energiestoffwechsel der Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der menschlichen Zellen. MILS betrifft speziell das zentrale Nervensystem und verursacht schwere Störungen sowohl im geistigen als auch im motorischen Bereich. Eine Heilung ist bisher nicht möglich, viele betroffene Kinder sterben früh. Mit Hilfe von  reprogrammierten Nervenzellen ist es Professor Prigione und Professor Schülke gelungen, einen vielversprechenden Behandlungsansatz mit einem bereits zugelassenen Medikament zu entwickeln. Ermutigende erste Studienergebnisse lassen auf eine zeitnahe Therapie hoffen.

Forschung mit Patientenrelevanz: Team-Arbeit vom Labor bis zur klinischen Anwendung

Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, Vorstandsvorsitzende der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen unterstreicht die hervorragende Forschungsleistung der Preisträger: "Die Arbeiten von Professor Prigione und Professor Schülke sind nicht nur wissenschaftlich exzellent, sondern münden in konkrete Behandlungsoptionen für das bislang unheilbare Leigh-Syndrom. Dass beide Forscher den langen Weg von der Grundlagenforschung zur Anwendung konsequent zusammen gegangen sind, beeindruckt und zeigt: Wenn kluge Köpfe ihre Ideen und ihr Wissen bündeln, lassen sich auch bei Seltenen Erkrankungen enorme Fortschritte erreichen!“

Medikamenten Repurposing: Sildenafil als vielversprechende Behandlungsoption

Die prämierte Forschung basiert auf Arbeiten, in denen die Forscher erstmals menschliche Modelle für das Leigh-Syndrom entwickelt haben. Mit Hilfe von neuronalen Zellen aus induzierten pluripotenten Stammzellen von Betroffenen identifizierten sie in umfangreichen Hochdurchsatz-Screening-Analysen von mehr als 5.000 Wirkstoffen insbesondere Sildenafil, unter der Bezeichnung Viagra® als Behandlung von Erektionsstörungen zugelassen, als vielversprechende Substanz für eine Behandlung des Leigh Syndroms. In der Kinderheilkunde wird Sildenafil bereits erfolgreich zur Behandlung von Lungenhochdruck bei Säuglingen eingesetzt, die Sicherheit des Wirkstoffs ist gut erforscht.  Prigione und Schülke konnten einen positiven Einfluss von Sildenafil auf den intrazellulären Kalziumstoffwechsel und die Wachstumsfähigkeit der Nervenzellen von MILS-Patienten nachweisen. In individuellen Therapieversuchen zeigten schwerkranke Kinder deutliche Verbesserungen nach einer Behandlung. Von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA wurde der Einsatz zur MILS-Therapie gemäß der Orphan Drug Designation (ODD) bereits genehmigt. Eine europaweite multizentrische Studie zur weiterführenden klinischen Prüfung des Wirkstoffs soll in Kürze starten.

Ausblick: Hoffnung auch für Betroffene anderer Seltener Erkrankungen

Der mit 50.000 Euro dotierte Eva Luise Köhler Forschungspreis ermöglicht Professor Prigione und Professor Schülke die Durchführung von Untersuchungen zur Identifikation von Biomarkern, die Aufschluss über den Einfluss von Sildenafil auf zelluläre mitochondriale Stoffwechselwege, den individuellen Krankheitsverlauf und therapeutische Effekte geben.

Eva Luise Köhler, auch Schirmherrin des Dachverbands von und für Menschen mit chronischen seltenen Erkrankungen ACHSE e. V., hebt die weitreichende Bedeutung der ausgezeichneten Forschungsleistung hervor: „Die Arbeiten von Professor Prigione und Professor Schülke sind wegweisend für die Behandlung des MILS-Syndroms – und gehen noch weit darüber hinaus: Die Identifizierung und Anwendung von Sildenafil ist ein hervorragendes Beispiel für den effizienten Einsatz von Medikamenten-Repurposing, der Nutzung bekannter Wirkstoffe für andere Erkrankungen. Das ist eine greifbare Chance für viele Betroffene auch anderer Seltener Erkrankungen, die Hoffnung und Zuversicht schenkt.“

Die Preisträger

Prof. Dr. Alessandro Prigione stammt aus Mailand, wo er an der Universitá degli Studi die Milano Medizin studierte und an der Universität San Raffaele in Molekularer Medizin und Neurowissenschaften promovierte. Prigione war Delbrück Fellow am Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin in Berlin, bevor er 2019 zum W2-Professor für pädiatrische Stoffwechselmedizin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ernannt wurde. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Verwendung von induzierten pluripotenten Stammzellen und organoiden Modellen zur Untersuchung der molekularen Mechanismen seltener pädiatrischer neurologischer mitochondrialer Störungen.

Prof. Dr. Markus Schülke studierte an der Universität des Saarlandes, der Freien Universität Berlin, dem University College Dublin und der University Hong Kong Medizin. Er promovierte 1993 an der Freien Universität Berlin und arbeitete als Kinderarzt und Neuropädiater in Deutschland, den Niederlanden und Indien. Seit 2010 ist Prof. Dr. Schülke Professor für Experimentelle Neuropädiatrie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sein Forschungsinteresse gilt schwerpunktmäßig genetisch bedingten neuromuskulären und mitochondrialen Erkrankungen, dabei besonders der Aufdeckung neuer krankheitsverursachender Gendefekte unter Einsatz moderner bioinformatischer Methoden. Als Sprecher der DFG-Forschungsgruppe „Jenseits des Exoms“ widmet er sich aktuell der Aufdeckung von Mutationen im regulatorischen Genom, wobei ihm die Übertragung grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Seltenen Erkrankungen ein besonderes Anliegen ist.

Die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen  

Im März 2006 gründeten der damalige Bundespräsident Professor Dr. Horst Köhler und seine Frau Eva Luise Köhler eine Stiftung, die sich für Forschungsförderung im Bereich Seltener Erkrankungen engagiert. Der seit 2008 in Kooperation mit der Allianz Chronischer Seltenen Erkrankungen ACHSE e.V. jährlich verliehene Eva Luise Köhler Forschungspreis zählt zu den angesehensten Auszeichnungen in diesem Forschungsbereich. Durch das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro konnten bereits fünfzehn Forschungsvorhaben angeschoben werden. Mit der Alliance4Rare hat die Stiftung 2022 ein visionäres Versorgungs- und Forschungsnetzwerk für Seltene Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen auf den Weg gebracht. 

Mehr Infos unter:

www.elhks.de

Pressekontakt:

Eva Thull

thull@elhks.de

0177 6645264

Porträtfoto der Schirmherrin der ACHSE, Eva Luise Köhler

Zitat Köhler


“Menschen mit einer chronischen seltenen Erkrankung haben eine besonders schwere Lebenssituation zu meistern. Für die Arbeit der ACHSE bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.”
Eva Luise Köhler, Schirmherrin der ACHSE