Am heutigen Tag der Seltenen Erkrankungen 2013 verleiht Eva Luise Köhler in Anwesenheit ihres Ehemanns Bundespräsident a.D. Prof. Dr. Horst Köhler sowie Bundesminister für Gesundheit Daniel Bahr den nach ihr benannten und mit 50.000 Euro dotierten Forschungspreis für Seltene Erkrankungen. Der Preis geht an ein vierköpfiges Forscherteam der Medizinischen Hochschule Hannover unter der Leitung von Prof. Dr. Gesine Hansen und Prof. Dr. Thomas Moritz für die Entwicklung eines innovativen Ansatzes einer gentherapeutischen Behandlung der pulmonalen Alveolarproteinose.
Was ist die pulmonale Alveolarproteinose?
Die erbliche pulmonale Alveolarproteinose (PAP) ist eine seltene Lungenerkrankung, bei der sich in den Lungenbläschen, die normalerweise Luft enthalten, eiweißreiches Material sammelt. Viele Betroffene ersticken bereits im Kindesalter und es gibt bisher keine heilende oder lang wirksame Therapie. Derzeit ist die einzige Behandlungsmöglichkeit eine Spülung der Lunge, die ca. alle 4 Wochen in einer Risiko-reichen lang dauernden Behandlung unter Vollnarkose durchgeführt werden muss. Die Kinder entwickeln sich schlecht, leiden ständig an Atemwegsinfektionen und versterben zumeist früh. Eine Knochenmarkstransplantation, bei der die defekten Zellen durch gesunde Vorläuferzellen ersetzt werden, kann nicht angewendet werden, weil der kritische Gesundheitszustand der betroffenen Kinder die dafür notwendige, vorbereitende Bestrahlung oder Chemotherapie nicht zulässt.
Welchen Therapieansatz entwickelt das Forscherteam?
Das Forscherteam bestehend aus Prof. Dr. Gesine Hansen, Dr. Christine Happle, Dr. Nico Lachmann und Prof. Dr. Thomas Moritz entwickelt eine neuartige Methode einer Gentherapie, bei der die gesunde Kopie des Gens in reife Immunzellen anstelle von Blut-Stammzellen eingeführt wird. Diese korrigierten Zellen möchten die Forscher dann nicht in das Knochenmark der Patienten verpflanzen, sondern direkt in die Lunge geben.
„Im Mausmodell konnten wir zeigen, dass diese Methode ohne wesentliche Nebenwirkungen zu einer deutlichen und lang anhaltenden Verbesserung der Alveolarproteinose führte. Damit könnten wir zu einem Paradigmenwechsel in der Gentherapie kongenitaler Erkrankungen beitragen.“ so Dr. Christine Happle.
Dieser innovative Ansatz, körpereigene differenzierte und gen-korrigierte Zellen direkt in die Lunge zu transplantieren, könnte das Risiko Gentherapie-assoziierter Leukämien deutlich senken und die mit hohem Infektionsrisiko behaftete Chemotherapie überflüssig machen, so das Forscherteam. Nach der Anwendung in einem humanisierten Mausmodell für diese Seltene Erkrankung soll die Methode in klinischen Studien auf den Menschen übertragen werden.
"Unser Ziel ist es, die Überlebenschance und die Lebensqualität unserer kleinen Patienten zu verbessern und wir hoffen natürlich, dass unser neuer Therapieansatz in der Zukunft zu einer Heilung dieser schwer kranken Kinder beitragen könnte", sagt Professor Gesine Hansen.
„Unzählige Menschen warten und hoffen auf Forschungsergebnisse und Therapien für ihre Seltene Erkrankung. Mit dem Preis zeichnen wir dieses Mal ein Projekt aus, das bei der Erforschung einer Seltenen Erkrankung und der Entwicklung von Therapiemöglichkeiten außergewöhnliche Schritte geht und Grenzen durchbrechen will. Es setzt damit auch den Grundstein zur Therapie-Entwicklung anderer genetisch bedingter Seltener und nicht Seltener Erkrankungen“, so Eva Luise Köhler in ihrer Laudatio.
Eine 16-köpfige Jury wählte das Projekt unter insgesamt 32 Projekten aus.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr unterstreicht in seiner Ansprache auf der Verleihung den Fokus, den die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung und die ACHSE (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen) mit dem Forschungspreis auf die oft vernachlässigten Seltene Erkrankungen setzen:
„Ich gratuliere den Preisträgern. Die heutige Auszeichnung ist ein wichtiger Anreiz, sich wissenschaftlich mit seltenen Erkrankungen zu beschäftigen. Erkrankungen, die jede für sich nur eine kleinere Gruppe von Menschen betreffen, die aber in ihrer Vielzahl die Lebensqualität und die Überlebenschancen von Millionen Patientinnen und Patienten beeinträchtigen. Ich freue mich daher, dass wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen. Wir setzen uns für Menschen mit seltenen Erkrankungen ein, um ihnen zu helfen. Jeder der Beteiligten auf seine Weise, ob mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit Geldleistungen oder ideell.“
Nach der offiziellen Preisverleihung in der Hauptstadtrepräsentanz der Telekom stellen 8 Patientenorganisationen laufende Forschungsprojekte vor, die sich der Erforschung und Therapieentwicklung ihrer jeweiligen Seltenen Erkrankung widmen: Hier wird exemplarisch aufgezeigt, wie wichtig eine gezielte Zusammenarbeit zwischen Patienten und der Wissenschaft im Bereich der Seltenen Erkrankungen ist.
Eva Luise Köhler Forschungspreis für Seltene Erkrankungen
Der mit 50.000 Euro dotierte Forschungspreis wird bereits zum 6. Mal vergeben und ist eine Initiative der Eva Luise und Horst Köhler Stiftung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen in Kooperation mit der ACHSE, der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen. Ziel ist es, die Forschung auf dem Gebiet der Seltenen Erkrankungen anzustoßen und zu verbessern. In Deutschland leben rund vier Millionen Menschen mit einer der über 6000 Seltenen Erkrankungen. Großer Forschungsbedarf, wenig Therapien, kaum Informationen und Experten machen die Patienten zu den „Waisen der Medizin.“