Die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. begrüßt grundsätzlich das Ziel des Pflegekompetenzgesetzes, die Kompetenzen von Pflegefachpersonen zu stärken und die Versorgungsstrukturen zu verbessern.
Menschen mit Seltenen Erkrankungen – insbesondere Kinder und Jugendliche – benötigen eine spezialisierte, koordinierte und kontinuierliche pflegerische Versorgung. Der Gesetzentwurf enthält positive Ansätze, wie die Ausweitung der Aufgaben und Befugnisse von Pflegefachpersonen, die Förderung innovativer Versorgungsformen sowie die Stärkung von Selbsthilfe und Netzwerken.
Aus Sicht der ACHSE ist es jedoch unerlässlich, dass die besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen im Gesetz explizit berücksichtigt werden.
Pflegefachpersonen, die diese Patientengruppe betreuen, müssen über spezifische Kompetenzen verfügen. Dazu gehört fundiertes Wissen über Seltene Erkrankungen, die Fähigkeit, Symptome und individuelle Verläufe zu erkennen und spezifische pflegerische Maßnahmen fachgerecht umzusetzen. Sie müssen in der Lage sein, individuelle Pflege- und Versorgungspläne zu erstellen und flexibel auf die besonderen Bedarfe einzugehen. Besonders wichtig ist die Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit: Pflegefachpersonen sollen eng mit spezialisierten Zentren, Ärzt:innen, Therapeut:innen und weiteren Fachkräften kooperieren, um eine sektorenübergreifende und qualitätsgesicherte Versorgung sicherzustellen.
Darüber hinaus müssen Pflegefachpersonen Betroffene und deren Familien umfassend beraten können – nicht nur zu pflegerischen, sondern auch zu psychosozialen und sozialrechtlichen Fragen. Gerade bei Seltenen Erkrankungen ist eine individuelle, familienorientierte Beratung entscheidend. Pflegefachpersonen sollen die Versorgung koordinieren, Übergänge begleiten und für eine kontinuierliche Betreuung sorgen. Sie übernehmen die Rolle zentraler Ansprechpartner:innen für Betroffene und Angehörige. Auch Präventions- und Gesundheitsförderungskompetenz ist erforderlich, um individuelle Maßnahmen zu empfehlen und umzusetzen, selbst wenn klassische Prävention bei Seltenen Erkrankungen oft nur eingeschränkt möglich ist. Schließlich müssen Pflegefachpersonen ihre Maßnahmen nachvollziehbar dokumentieren und an Qualitätsstandards ausrichten, um die Versorgung transparent und überprüfbar zu machen.
Vor diesem Hintergrund fordert die ACHSE:
• dass Pflegefachpersonen, die Menschen mit Seltenen Erkrankungen betreuen – insbesondere im pädiatrischen Bereich – Zugang zu regelmäßigen, spezialisierten Fort- und Weiterbildungen erhalten. Diese Fortbildungen müssen aktuelle medizinische, pflegerische und psychosoziale Aspekte Seltener Erkrankungen abdecken und verpflichtend sein. Die Einbindung von Expert:innen und spezialisierten Zentren für Seltene Erkrankungen sowie pädiatrischer Fachabteilungen in die Versorgung muss systematisch erfolgen. Pflegefachpersonen sollen aktiv mit diesen Zentren kooperieren und Zugang zu deren Beratungs- und Schulungsangeboten erhalten.
• Die Pflegeberatung für Menschen mit Seltenen Erkrankungen muss individuell, fallbezogen und interdisziplinär gestaltet werden. Besonders für Kinder und Jugendliche ist eine frühzeitige, familienorientierte Beratung und Begleitung wichtig, die auch psychosoziale und sozialrechtliche Aspekte umfasst. Die Versorgung sollte durch multiprofessionelle Teams erfolgen, die Pflege, Medizin, Therapie, Sozialarbeit und psychosoziale Unterstützung einbeziehen. Die Finanzierung und Koordination dieser Teams muss gesetzlich abgesichert werden. Selbsthilfeorganisationen und betroffene Familien sind systematisch in die Beratung und Versorgung einzubinden. Die Förderung von Selbsthilfegruppen und Familiennetzwerken sollte gesetzlich verankert und finanziell abgesichert werden.
• Der Zugang zu Hilfsmitteln, Pflegehilfsmitteln und Entlastungsleistungen muss für Menschen mit Seltenen Erkrankungen – insbesondere für Kinder – unbürokratisch, bedarfsgerecht und zeitnah erfolgen. Präventions- und Gesundheitsförderungsangebote müssen auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen mit Seltenen Erkrankungen zugeschnitten sein, hierzu müssen Pflegefachpersonen entsprechend qualifiziert sein.
Das Pflegekompetenzgesetz bietet die Chance, die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen deutlich zu verbessern. Damit diese Chance genutzt wird, müssen die spezifischen Bedarfe dieser Patientengruppe – insbesondere von Kindern und Jugendlichen – im Gesetz und in der praktischen Umsetzung konsequent berücksichtigt werden. Die ACHSE steht als Partner für die weitere Ausgestaltung und Umsetzung des Gesetzes zur Verfügung und empfiehlt, die Perspektive der Betroffenen und der spezialisierten Versorgungseinrichtungen kontinuierlich einzubeziehen.
Berlin, 08. Juli 2025
ACHSE e.V.
Nicole Heider, M.Sc. Pflege
ACHSE-Beraterin für Betroffene und Angehörige
+49-30-3300708-27
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