Stellungnahme der ACHSE zum Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der SPD, von Bündnis90/Die Grünen und der FDP für einen Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz)

Es ist unbestritten erstrebenswert so viel Transparenz wie möglich zur Qualität der Versorgung herzustellen. Ein Krankenhaustransparenzgesetz auf Basis dieser Formulierungshilfe zu verabschieden halten wir aber nicht für einen geeigneten Weg, Fortschritte bei diesem wichtigen Ziel zu erreichen. Unserer Einschätzung nach wird es nur neue Bürokratie bringen. Weder die Transparenz noch die tatsächliche Qualität der Versorgung würden durch dieses Gesetz verbessert.

Nicht, dass wir falsch verstanden werden: aus Sicht der ACHSE ist es von existentieller Bedeutung, dass nicht alle Ärzte bzw. alle Kliniken alles machen. Es ist wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass Menschen mit Seltenen Erkrankungen, aber auch diejenigen die mit häufigeren Erkrankungen leben, von den dafür am ehesten geeigneten Spezialisten behandelt werden. Hierzu soll nicht nur Klarheit darüber bestehen, wer was kann bzw. die richtige Ausstattung dazu hat. In vielen Fällen ist es sogar sinnvoll, eine Behandlung durch nicht-spezialisierte Ärzte gar nicht erst zu vergüten.

Das Krankenhaustransparenzgesetz verbessert die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen nicht:

1. Fallzahlen und Personal-Kennzahlen können nur im Verhältnis zur Prävalenz der Erkrankung ein Indiz zur Qualität liefern. Die Zahlen sollen aber nur nach noch nicht näher definierten Leistungsgruppen und nicht nach Orphacodes aufgeschlüsselt werden. Die Zahlen werden für die individuelle Erkrankung der Betroffenen keine sinnvolle Aussage bieten.

2. Zurzeit werden die Zentren für Seltene Erkrankungen nach den NAMSE-Kriterien zertifiziert und sie erhalten (hoffentlich) Zuschläge aufgrund der Kriterien, die der GBA, angelehnt an diese NAMSE-Kriterien, verabschiedet hat. Diese Kriterien sind ein anerkannter Standard für Qualität. Wenn ein Zentrum zertifiziert ist, wird dies unendlich viel mehr über seine Qualität aussagen als ein Transparenzregister je leisten kann.

3. Mit Förderung des BMGs wurde der SE-Atlas (www.se-atlas.de) aufgebaut. Hier findet man die Zentren für Seltene Erkrankungen, die zertifiziert sind und/oder von der Patientenselbsthilfe empfohlen werden. Auch weitere Versorgungseinrichtungen findet man hier. Ein weiterer Weg ist die Suche über Orpha.net. Für häufigere Erkrankungen gibt es bislang die Weisse Liste und andere Datenbanken, die auf den Qualitätsberichten der Krankenhäuser aufbauen. Der Mehrwert der zukünftigen Datenbank des IQTIGs ist uns unklar.

4. Die Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen findet hauptsächlich ambulant statt, ein beträchtlicher Teil davon an den Hochschulambulanzen. Transparenz über die Qualität der Krankenhäuser – wenn sie denn erreicht werden könnte – hilft nur bedingt weiter. Damit Menschen mit Seltenen Erkrankungen ihren Weg zur Diagnosestellung und anschließend zur passenden Behandlung finden, bedarf es guter Vernetzung zwischen den verschiedenen Versorgungsangeboten, strukturierter Patientenpfade und Case Manager auf Rezept, die die Betroffenen auf ihrem Weg unterstützen. Dies würde Ärzte und Patienten unterstützen, die Versorgung zu finden, die in der aktuellen individuellen Situation die Richtige ist.

ACHSE fordert, dass Bund und Länder eine mutige Strukturreform durchführen, die sicherstellt, dass
1. die Krankenhäuser ausreichend finanziert werden
2. komplexe Versorgung nur von Experten mit entsprechenden Fallzahlen und Ausstattung erbracht wird
3. eine gute wohnortnahe sektorenübergreifende Versorgung angeboten wird, die durchaus mit weniger stationärer Versorgung auskommen könnte
4. eine bessere Vernetzung aller für den Patienten relevanten Akteure bewirkt wird.
Auf die Verabschiedung eines Krankenhaustransparenzgesetzes sollte verzichtet werden. Stattdessen sollten die bestehenden Portale nachhaltig finanziert und bei Bedarf optimiert werden.

Ob eine Aufgabe eher Ländersache ist oder zur Zuständigkeit des Bundes gehört bzw. gehören sollte, ist aus Sicht der Versicherten nicht entscheidend. Sie erwarten, dass sie, wenn sie erkranken, für ihren Beitrag eine qualitativ hochwertige Versorgung erhalten. Bund und Länder sind da gemeinsam in der Verantwortung. Die Verantwortung, eine solche Versorgung zu finden, soll nicht wieder, jetzt mit dem vorgeschlagen Krankenhaustransparenzgesetz, dem Patienten übertragen werden.

Berlin, 28.8.2023
ACHSE e.V.

 

Kontakt

Mirjam Mann, LL.M.

Geschäftsführerin
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