"Urgroßvater sah aus wie E.T."

Jenni-Juulia Wallinheimo-Heimonen, Künstlerin mit OI aus Finnland.

Sie ist Textil- und Konzeptkünstlerin, Bloggerin und Aktivistin und Filme macht sie auch. Behinderung, Diskriminierung durch Freundlichkeit und strukturelle Gewalt sind zentrale Themen ihrer Kunstwerke. Derzeit arbeitet sie an einem Projekt mit dem Titel „Empathy Objects", das durch das Arts Promotion Centre Finland gefördert wird.

Das Interview, das teilweise erstmals im OIFE-Magazin 04/2020 veröffentlicht wurde, erschien im Durchbruch 01/2021, der Mitgliederzeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Osteogenesis imperfecta (Glasknochen) Betroffene e.V.

Übersetzung: Andrea Kiel, Fotos: Jenni-Juulia Wallinheimo-Heimonen, privat

Wer sind Sie, was machen Sie und inwiefern hat OI Ihre Kunst beeinflusst?

Ich bin eine multidisziplinäre Künstlerin und Aktivistin, die politische Kunst mit Schwerpunkt Behinderung macht. Meine Leidenschaften sind strukturelle Gewalt, die Ästhetik von Hilfsmitteln und Themen im Zusammenhang mit Frauen mit Behinderungen.

Mein Hintergrund ist die Textilkunst, aber inzwischen benutze ich auch andere Materialien und Medien, mache Skulpturen, Installationen, Videos und Performance. Ich stamme aus einer Familie, in der seit vier Generationen Sehbehinderungen (väterlicherseits) und seit vier Generationen OI (mütterlicherseits) vorkommen. Als Künstlerin mit zwei Kindern (8 und 11 Jahre alt, beide mit OI) ist mein Alltag ein typischer Spagat zwischen Arbeit und Familie. Wenn bei den Kindern, der Oma oder mir Frakturen auftreten, ändern wir einfach unsere Routinen auf bewährte Praktiken, um das Leben so normal wie möglich fortzusetzen. Unseren Lebensstil, den körperlich privilegierte Menschen oft als Anpassung, extremen Mut oder Überleben sehen wollen, ist für mich eine raffinierte und kultivierte Behinderung, die von einer Generation zur anderen weitergegeben wurde.

An welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?

Seit 2019 bis 2021 arbeite ich an dem Projekt „Empathy objects", das durch die „Arts Promotion Centre Finland" Organisation gefördert wird. Das sind Straßenkunstwerke. Sie stehen im Dialog mit der Umwelt und spiegeln Themen wie Rücksichtnahme, unbewusste Bedürfnisse und unsere Abhängigkeiten von anderen Menschen wider (siehe unser Titel, Anm. d. Red.).

Das „poverty jacket („Bedürftigkeitsjacke") z. B. hat ein Tablet auf dem Rücken, auf dem ein Video zeigt wie es sich anfühlt, ein armer Rollstuhlfahrer im Dschungel der Bürokratie zu sein. Im Film wird gezeigt, wie die Jacke mit einem Kopfteil verbunden ist, das einer Messkappe des Elektroenzephalogramms ähnelt, das die Gedanken des Benutzers fantasievoll in ein Video verwandelt. Im 21. Jahrhundert ist westliche und skandinavische Armut oft nicht äußerlich sichtbar und kann nicht von der Kleidung oder dem Smartphone abgeleitet werden.

Ich wollte die inneren Gefühle visualisieren. In einem Film übernimmt das Eichhörnchen die Rolle der Autoritäten

„Battle of scarcity of resources" auf Youtube

Im September wird dann einer meiner Kurzfilme, „Reflector of Living Will", auf dem Helsinki International Film Festival gezeigt. Er erzählt von der mit Arthritis lebenden Maria, die der rehabilitierenden Haltung ihres neuen Pflegeroboters überdrüssig wird und ihn umprogrammiert, um ihre wahren Bedürfnisse zu erfüllen.

Hier können Sie den ganzen Artikel als PDF lesen:

Interview mit Jenni-Juulia Wallinheimo-Heimonen

Jenni-Juulia Wallinheimo-Heimonen, Künstlerin mit OI aus Finnland, ist Textil- und Konzeptkünstlerin, Bloggerin und Aktivistin und Filme macht sie auch. Behinderung, Diskriminierung durch Freundlichkeit und strukturelle Gewalt sind zentrale Themen ihrer Kunstwerke. Derzeit arbeitet sie an einem Projekt mit dem Titel „Empathy Objects", das durch das Arts Promotion Centre Finland gefördert wird.

Weitere spannende Projekte von Jenni-Juulia Wallinheimo-Heimonen findet ihr hier:

www.kolumbus.fi/jenni_juulia/

Außerdem könnt ihr Jenni-Juulia auf Instagram folgen @jennijuuliawallinheimoheimonen sowie auf YouTube

Deutsche Gesellschaft für Osteogenesis imperfecta (Glasknochen) Betroffene e. V.

In Deutschland wird umgangssprachlich oft der Begriff Glasknochen verwendet, denn die Knochen der Betroffenen brechen ähnlich schnell wie Glas. Das Leben mit OI stellt besonders in der Kindheit und Jugend in vieler Hinsicht eine Herausforderung dar, kann mit etwas Hilfe und Unterstützung jedoch zu einem sehr erfüllten und weitgehend unabhängigen Erwachsenenleben führen. Rein statistisch gesehen schätzt man in Deutschland die Zahl der Betroffenen auf 4000 bis 6000 Menschen, die mit dieser erblich bedingten Störung leben.

Mehr Informationen, Ansprechpartner und Hilfe finden Sie hier:

http://oi-gesellschaft.de/

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blaue, pinke, grüne und gelbe Umrisse von Beinen und Füßen, die in die Luft springen.