Seltene Geschichten

Anna Spindelndreier, Fotografin und Bildredakteurin mit wichtigem Anliegen

Als Fotoredakteurin bemüht sich Anna Spindelndreier darum, Fotos von Menschen mit einer Behinderung nicht nur dann zu zeigen, wenn sie den Auftrag hat, einen Artikel zu Inklusion zu bebildern. Und natürlich fotografiert sie selbst mit Leidenschaft. – Ein Interview, das unseren Blick erweitert.

Wenn Anna Spindelndreier als freiberufliche Fotoredakteurin den Auftrag bekommt, einen Artikel zu bebildern und sich durch die großen Bildagenturen klickt, dann findet sie vor allem gestellte Fotos von Menschen im Rollstuhl oder Fotos von Kindern mit Down Syndrom.
 

Sie erklärt: „Der Rollstuhl ist einfach das Symbol für Menschen mit Behinderungen. Gern wird er auf Fotos verwendet vor einer hohen Treppe oder er bekommt eine viel größere Präsenz im Bild als der Mensch, um den es doch eigentlich gehen sollte.“ Am meisten ärgert sich Anna Spindelndreier aber über Fotografinnen und Fotografen, die sich nicht um rollstuhlfahrende Models bemühen: „Dann besorgen sie sich einen Rollstuhl aus dem Krankenhaus und setzen jemand Laufendes rein. Und jeder, der sich ein bisschen mit Rollstühlen auskennt, sieht, der ist viel zu groß, viel zu sperrig, viel zu inaktiv. Der Mensch braucht also auf jeden Fall Hilfe.“
 

Neben Fotos von Rollstühlen findet Anna Spindelndreier bei den großen Bildagenturen sonst fast nur Fotos von Menschen mit Down Syndrom: „Das ist eine Behinderungsform, die schnell in die Kategorie ‚niedlich, süß, alle immer gut gelaunt‘ gesteckt wird.“ Und, so erklärt sie: „das ist für den Rezipienten noch das einfachste. Das kann er oder sie verarbeiten. Schwer mehrfach behinderte Menschen werden nicht abgebildet, weil die Leserschaft nicht überfordert werden soll.“
Die Folge: wenn Anna Spindelndreier, die selbst kleinwüchsig ist, unterwegs ist, beobachtet sie oft, dass sie begafft wird oder Menschen ungefragt Fotos von ihr machen: „Weil medial nur Menschen im Rollstuhl oder mit Down Syndrom vorkommen, bin ich ein Faszinationsobjekt. Deshalb ist es so wichtig, dass die Medienlandschaft lernt, dass es auch unter Menschen mit Behinderung eine größere Vielfalt gibt.“
 

Was sie und wir alle dafür tun können? Anna Spindelndreier ist viel auf Panel-Diskussionen und Workshops zu Themen wie Sichtbarkeit und Gleichberechtigung im Fotojournalismus dabei, sie hält Vorträge und bildet Fotoredakteurinnen und Fotoredakteure fort. Und sie arbeitet mit den Sozialhelden, die mit der Fotodatenbank Gesellschaftsbilder.de Bilder fernab von Klischees produzieren und verbreiten.
Als Fotoredakteurin bemüht sie sich darum, Fotos von Menschen mit einer Behinderung nicht nur dann zu zeigen, wenn sie den Auftrag hat, einen Artikel zu Inklusion zu bebildern, sondern auch bei ganz anderen Themen, „eine behinderte Mutter beim Thema Kindergeld, zum Beispiel!“
 

Und dann natürlich: eigene Bilder machen, andere Bilder! Das tut Anna Spindelndreier als selbstständige Fotografin. Viele ihrer Aufträge und Fotografien ergeben sich über Kontakte in der Selbsthilfe. Sie hat für Jürgen Dusel, den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, gearbeitet, portraitiert Aktivistinnen und Aktivisten, fotografiert die Jahrestreffen von Selbsthilfe-Vereinen. „Ich bewege mich gern in diesem Umfeld. Bin auch sicherer, einfach weil ich vorab keine Aufklärungsarbeit leisten muss, mich nicht ständig erklären muss und zeigen, dass ich meinen Job beherrsche.“
 

Mit der Selbsthilfe ist Anna Spindelndreier groß geworden. Kurz nach ihrer Geburt stießen ihre Eltern durch einen kleinen Zeitungsartikel auf eine Elterninitiative und fuhren sofort zum ersten Treffen, aus dem sich dann der Bundesverbands Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien (BKMF) e.V entwickelte. Dort genießt sie den Austausch, als Jugendliche war sie bei Jugendseminaren dabei, später engagierte sie sich 10 Jahre lang im Vorstand, noch immer stehen die Jahrestreffen fest im Kalender.
 

Anna Spindelndreier ist Mitglied der Jury des ACHSE-Fotowettbewerbs 2024!
Fotointeressierten gibt sie mit auf den Weg: „Fotografiert nicht das, was alle anderen schon fotografiert haben!“ Sie freut sich über spannende Perspektiven, gutes Licht, aber vor allem darüber, durch Fotos etwas über Menschen zu erfahren.
 

Hat Ihnen der Beitrag weitergeholfen?

Feedback